NRW-Landtag sucht den Konsens
30.06.2011
Westfalen-Blatt
Von Reinhard Brockmann
CDU will keine Bevorzugung der Gemeinschaftsschule
Düsseldorf (WB). Die NRW-Bildungsdebatte geht in eine neue Runde. Im Landtag wurde gestern erneut um einen Schulkonsens gerungen. »Der Ball ist zurück im Parlament«, nahm CDU-Schulexperte Klaus Kaiser die Vorlage der Bildungskommission auf.
Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) flankte die zur ersten Beratung anstehenden 42 Empfehlungen von fünf Arbeitsgruppen aus 16 Sitzungen mit 50 Verbänden weiter auf den rechten Flügel der Opposition: »Wenn es uns gelungen ist, Konsens zwischen Philologenverband, GEW und VBE, zwischen der Direktorenvereinigung der Gymnasien und der Gesamtschulen, den Unternehmen und den Gewerkschaften, den Kirchen, den Migranten herzustellen, dann müsste das eigentlich auch uns gelingen.«
Konsens war angesagt und deshalb fiel auch kein böses Wort über die CDU, die zwar in der Kommission, aber nicht im Parteiengespräch wegen der Anwesenheit der Linken dabei war. Nur die FDP sah mehrfach die gelbe Karte, weil sie nur einmal in der großen Runde erschien. Keineswegs sei nur Konsenssoße ausgegossen worden, beeilte sich Löhrmanns Parteikollegin Sigrid Beer (Paderborn) zu betonen. Und bevor gestern zuviel Harmonie aufkam, foulte sie ihre Lieblingsgegnerin Ingrid Pieper-von Heiden (Lippe): »Die FDP hält am Apartheidssystem in der Bildungspolitik fest.«
Unter der Parole »Schulstruktur in Zeiten demografischen Wandels« ließ sich das rot-grüne Wahlversprechen von 30 Prozent Gemeinschaftsschulen bis 2015 mit noch so geschickten Formelkompromissen nicht einfangen. Allerdings: »Die salomonische Formel, die uns helfen soll, im Parlament zu einander zu kommen«, zitierte Löhrmann wie einen Geißlerschen Schlichterspruch: »Die Kommission empfiehlt, die Möglichkeit der Kommunen zur Bildung organisatorischer Verbünde von unterschiedlichen Schulformen und integrativen Zusammenschlüssen zu erweitern.«
Mit zehn knallharten Forderungen und reichlich Lob für das bisherige Fair Play führte Kaiser die CDU-Aufstellung auf den Platz. Hoch anzuerkennen sei, dass Rot-Grün »kein Roll-Back sondern Aufbau und Entwicklung« vieler Bildungserrungenschaften von 2005 bis 2010 betreibe. Individuelle Förderung, Qualitätsanalyse, Kompetenzteams zur Lehrerfortbildung, Sprachstandserhebungen, die Einführung von Gütesiegeln und der Aufbau des Ganztagsunterrichts »nicht länger als Privileg nur einer Schulform« schickte er seinem Versprechen voraus: »Wir wollen die Polarisierung in der Schulstrukturfrage überwinden und den breiten Konsens.«
Damit wurde der Zeitdruck über dem Spielfeld angezeigt. Rot-Grün kann seine Gemeinschaftsschule nicht länger per Experimentierklausel durchdrücken; ein neues Schulgesetz muss noch 2011 her - auch weil CDU-Bürgermeister eine Schule im Dorf behalten wollen.
Die wichtigsten CDU-Forderungen vor einem NRW-Schulfrieden schwarz-rot-grüner Lesart: keine schleichende Auflösung von Realschule und Gymnasium, deren Garantie »am besten« in der Landesverfassung, keine Bevorzugung der Gemeinschaftsschule bei der Mindestschülerzahl von 23 für Eingangsklassen (Realschule 28), bei der Wochenstundenzahl der Lehrer (25,5 statt 28) und gleichhohe Pro-Kopf-Landeszuweisungen für Schulen einer Kommune.
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