Das reale Leben ist in der Schule angekommen
04.05.2011
Westfalen-Blatt
Wirtschaftsjunioren im Gespräch mit Sigrid Beer
Paderborn (WV). Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Sigrid Beer, stand den Wirtschaftsjunioren Paderborn und Höxter Rede und Antwort. Gesprächsbedarf sahen sie vor allem in Sachen Bildungspolitik und welche Vorstellungen die aktuelle Landesregierung von der Schule der Zukunft hat. Sigrid Beer ist bildungspolitische Sprecherin der Grünen.
Dass das heutige Schulsystem reformiert werden müsse, darüber waren sich alle Teilnehmer von Beginn an einig. Schließlich verschärfe das aktuelle System soziale Ungerechtigkeit, sortiere Kinder aus und verhindere problemlösendes Lernen. »In Deutschland schaffen wir es einfach nicht, das Potenzial unserer Jugend auszuschöpfen und zu entfalten«, sagte Sigrid Beer, »im Mai kommen die Beratungen in der Bildungskonferenz zum Ende, an der die Schulträger, Elternvertreter, Politiker sowie Vertreter weiterer gesellschaftlicher Gruppen teilnehmen.« Die Ergebnisse flössen dann in die Diskussionen im Landtag ein.
Damit die angedachte Bildungskonferenz Erfolg hat, sei es wichtig, dass die landespolitischen Rahmenbedingungen bekannt sind. So nutze die Politikerin dieses Gespräch auch, um sich über die Probleme vor Ort zu informieren.
Fest steht aus Sicht der Wirtschaftsjunioren, dass eine notwendige Bildungsreform nur dann gelingen kann, wenn die Betroffenen mitgenommen werden. Dabei sei nicht zu vergessen, dass jede Reform Lehrer und Schüler belastet. In den vergangenen Jahren sei so viel reformiert worden, dass die strukturellen Änderungen teilweise zu viel Zeit in Anspruch genommen haben, die dann zur Vermittlung von Wissen und Problemlösungsfähigkeit wieder fehlte. »Es kann also nicht darum gehen, irgendeine Reform aus dem Boden zu stampfen, sondern langfristige und vor allem praktikable Lösungen zu suchen«, sagte Winfried Diekmann, Arbeitskreisleiter Politik und Wirtschaft der Wirtschaftsjunioren.
Aufgrund des demographischen Wandels sei es wichtig, auch die Bildung in den ländlichen Regionen zu unterstützen und zu fördern. Um Schulschließungen zu vermeiden, fordert Beer den Ausbau der Gemeinschafts- und Gesamtschulen: »Die jüngsten Anmeldezahlen im Kreis Paderborn belegen, dass die Eltern ihre Kinder länger gemeinsam lernen lassen wollen und darauf setzen, die Chancen der Kinder auf einen guten Schulabschluss durch das Offenhalten des Bildungsgangs an einer Gesamtschule zu nutzen.« Bis heute sei es nicht möglich, dem Wunsch vieler Eltern nachzukommen, ihr Kind an einer Gemeinschaftsschule anzumelden. Dafür reichten die Kapazitäten einfach nicht aus.
Erfreulich sei es, dass heute fast jede weiterführende Schule im Kreis Paderborn mit der Wirtschaft zusammen arbeitet. Rund 70 Projekte in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer Paderborn und Höxter gibt es bereits. Dabei verstehe sich die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Schulen nicht primär als Projekt für die Lehrstellensuche. Im Gegenteil, konstatieren die Wirtschaftsjunioren: Lehrer und Unternehmer wollen voneinander lernen, sich austauschen und ihre Bedürfnisse abstimmen. So könne beispielsweise gegen die häufig beklagte mangelnde Ausbildungsreife in Schulen angegangen werden. »Durch diese Kooperationen kommt endlich das reale Leben in die Schulen«, sagte Diekmann.
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